14. hofbauer-kongress: madame und ihre nichte (eberhard schröder, deutschland 1969)

Veröffentlicht: Januar 9, 2015 in Film
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dqbMNXywtOkRqHSwnEFX4aG3NwzWenn ich mich für mein persönliches Kongresshighlight entscheiden müsste, würde ich wahrscheinlich Heinrich Georges SCHLEPPZUG M17 wählen. Das schönste und im positiven Sinne gemütlichste Sichtungserlebnis war jedoch Eberhard Schröders MADAME UND IHRE NICHTE. Der berauschte Zustand, in dem ich ihn sah, trug sehr zu seiner Wirkung bei. Die leichte Erotikkomödie ist gewiss nicht der nachhaltigste Film aller Zeiten, aber er stellte eine Menge mit mir an und hätte für mich noch Stunden weitergehen können.

Die schöne, kultivierte Michelle (Ruth-Maria Kubitschek) lässt es sich in den Betten reicher, meist älterer Männer gut gehen. Ihr aktueller Lover erleidet beim Liebesspiel einen Herzkasper, während sie in Träumen über la dolce vita schwelgt. Ein neuer Lover muss her, und mit dem Millionärssohn Peter von Hallstein (Fred Williams) und dem distinguierten Jochen Reiter (Rainer Penkert) stehen gleich zwei Kandidaten bereit. Mindestens ebenso viel Eindruck wie Michelle macht auf die beiden jedoch ihre Modeltochter Yvette (Edwige Fenech), die Michelle aus Eitelkeit als ihre Nichte auszugeben pflegt. Anders als ihre Mama ist Yvette jedoch auf der Suche nach einer ernsten Beziehung …

Das Faszinierende an MADAME UND IHRE NICHTE, das, was mich den ganzen Film über fesselte und mein Interesse über die volle Laufzeit wachhielt, ist gewissermaßen sein Bastardstatus. Die deutsche Produktion lässt ihre Herkunft zeitweise vollkommen vergessen und wirkt plötzlich wie ein lupenreiner Italofilm, bevor ein Auftritt der unverwüstlichen Rosl Mayr oder des jungen Rudolph Moshammers (der auch die Kostüme beisteuerte) einen wieder zurück in die Realität holt. Kritiker könnten bemängeln, dass Eberhard Schröder sich nicht ganz entscheiden konnte, ob sein Film nun eine beschwingte Beziehungs- oder aber eine knallige Sexkomödie sein sollte, aber ich empfand gerade das ständige Pendeln zwischen diesen Polen als enorm reizvoll. MADAME UND IHRE NICHTEN wird einfach nie langweilig, bietet auf engstem Raum eine Vielzahl unterschiedlicher Attraktionen (die größte ist natürlich der Luxuskörper der Fenech), unfassliche Sleazemomente – dieser schmalzige Schlager, der zu Beginn erklingt, oder die erste Fotosession, mit einem sich fast bis zum Orgasmus verausgabenden Fotografen und einer zunehmend genervteren Yvette –, schöne Gags und haufenweise zitierwürdige Dialogzeilen, von denen ich leider nur noch eine parat habe. Aus irgendeinem Grund beschließt Yvette, dass sie gegenüber ihrer Mama einen Haschischrausch simulieren möchte. Mit tiefschwarzen  Augenringen ausgestattet und völlig apathisch lässt sie sich von ihren esoterischen WG-Kollegen nach Hause tragen, wo die tief besorgte Mutter nach Antworten sucht. Aus dem Mund einer von Yvettes Freundinnen dringt als Erklärung ein Satz, der mit verändertem Genus auch auf zahlreiche Kongressbesucher zuträfe: „Sie ist entrückt.“ Das Geschmackvolle – vor allem in Gestalt der schönen, mondänen Ausstattung – und das Niveaulose geben sich hier in einer Tour die Klinke in die Hand, ohne dass MADAME UND IHRE NICHTE dabei chaotisch oder zerrissen wirken würde. Schröder schafft es wie durch ein Wunder, sogar dann seine Würde zu bewahren, wenn er zwei schwule Studenten eine nackte Schwarze mit einer Banane füttern lässt. Ich bedauere es, kein kohärenteres Bild mehr von diesem Film zu haben, der jetzt schon auf eine hohe Platzierung in meiner Bestenliste 2015 hoffen darf. Wie wunderbar wäre es, wenn man ihm eine DVD-Veröffentlichung spendierte. Ich bin mir sicher, sein Zauber würde auch andere nicht unberührt lassen.

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